„Es gibt Kunstwerke und Lohnarbeit“
Herbert Schirmer im RUNDSCHAU-Gespräch über das Wandbild von Günther Friedrich
Lausitzer Rundschau vom 19.05.2012: „Die Stadt Guben hat Schularbeiten gemacht. Einem Wandbild, das schon zu DDR-Zeiten keiner sehen mochte, bringt das ungewohnte Aufmerksamkeit. Für die Dauer der Debatte. Seit dem von Herbert Schirmer vorgelegten Gutachten steht fest: Erhaltenswert ist es nicht. Die RUNDSCHAU sprach mit ihm darüber.
Herr Schirmer, Sie sind von der Stadt Guben beauftragt worden, den Wert des Wandbildes einzuschätzen, das der 1986 verstorbene Cottbuser Maler Günther Friedrich in den 1960er-Jahren für die damalige Diesterweg-Oberschule gemalt hat. Was prädestiniert Sie dafür?
Die Bildende Kunst der DDR ist ein Spezialgebiet von mir, gerade durch Beeskow, wo ich das Dokumentationszentrum Kunst in der DDR eingerichtet habe. Und ich mache immer noch Ausstellungen zu diesem Thema. Gerade bereite ich für Belgien eine Ausstellung über Kunst der 80er-Jahre in der DDR vor.
Wie sind Sie zu dem Gutachter-Auftrag für Guben gekommen?
Ich denke, die Witwe von Günther Friedrich hat da vermittelt. Ich habe ursprünglich in Cottbus begonnen mit der Dokumentation von Kunstwerken in zum Abriss vorgesehenen Gebäuden. Ziel war zu prüfen, ob und in welcher Weise eine Erhaltung oder eine Rückgabe an den Künstler möglich war. Die Cottbuser Stadtverwaltung war mit meiner Arbeit sehr zufrieden.
Wann war das und was konnten Sie bewahren helfen?
Vor einem Jahr ging es um ein sehr großes Wandbild aus Meißner Kacheln in einem Cottbuser Schulgebäude, für das es partout keine Nutzung mehr gab. Eine Entfernung der bemalten Fliesen hätte zwangsläufig deren Zerstörung zur Folge gehabt. Darum habe ich, mit Unterstützung des Künstlers, das Kunstwerk gutachterlich bewertet und in Wort und Bild dokumentiert.
Wie erleben Sie den Umgang mit Kunst der DDR heute?
Das kommt immer darauf an, mit welcher Toleranz die Stadtverwaltungen an die Sache herangehen. Es gibt ein sehr gutes Beispiel in Schwedt. Die Stadt hat alle Kunstwerke im öffentlichen Raum 2012 in einem Kunstführer veröffentlicht – ein geradezu vorbildlicher Umgang mit jüngerer Stadtgeschichte. Es gibt aber auch andere Beispiele. Ich möchte keine Grundsatzdebatte anzetteln. Der Gutachter-Auftrag für Guben bezog sich ausschließlich auf das Wandbild, und darauf habe ich mich vor Ort und in meiner Arbeit konzentriert.
Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Kunstgeschichtlich betrachtet kommt das Wandbild ob seiner ästhetischen Qualität eher nicht als erhaltenswertes Zeugnis für die Kunst in der DDR infrage. Im Gegenteil, es befördert bei notwendiger kritischer Betrachtung eher bekannte und häufig zur Anwendung gebrachte Vorurteile, um die in der DDR entstandene Kunst generell zu diskreditieren.
Ein ziemlich hartes Urteil. Tut das dem Künstler nicht Unrecht?
Wenn man es im Kontext zu seinem Gesamtwerk sieht, nimmt das Wandbild eher einen hinteren Platz ein. Günther Friedrich hatte damals keinerlei Erfahrung mit Wandbildern. Man erkennt das an den kompositorischen Schwächen und der generellen Biederkeit der Bildsprache. Die Tafelbilder sind künstlerisch besser. Sie werden auch in den Lausitzer Museen aufbewahrt. Die Cottbuser Kunsthistorikerin Susanne Lambrecht hat sie in einem Werkverzeichnis erfasst, mit einer Biografie des Künstlers, der zu den Initiatoren des Kunstmuseums in Cottbus, dem heutigen Kunstmuseum Dieselkraftwerk, gehörte.“ weiterlesen